ROCKHARZ 2024: Die Band-Berichte zum Mittwoch
Jul 3rd, 2024 | von metal.de |Schon lange vor 15 Uhr scharren viele ungeduldige ROCKHARZ-Besucher am Einlass mit den Füßen, bevor das Infield seine Tore öffnet. Endlich ist es so weit und das Festival beginnt. Entsprechend voll ist es bereits bei POWER PALADIN.
15:30 – 16:05 POWER PALADIN (DARK STAGE)
Auch wenn sich Ballenstedt eher kühl und wolkenverhangen zeigt, ist bei den Isländern der Sommer ausgebrochen – die Band spielt in kurzen Hosen auf. Das Publikum nimmt den Midtempo-Power-Metal von POWER PALADIN dankbar an, wir blicken nur in lachende Gesichter, die Meute schunkelt und schüttelt die Köpfe.
Die ersten Crowdsurfer lassen sich auf Händen tragen, auch wenn es der klobürstenschwingende Kollege während des letzten Songs wohl kaum mehr abwarten kann, bis endlich GUTALAX starten. Und die stürmen zum Baywatch-Titelsong die Bühne: Allerdings gibt es jetzt keine Klänge für einen sonnigen Tag am Strand, sondern einen „Gesang“, der das seltsamste Geknarze des gesamten Festivals darstellt.
16:10 – 16:45: GUTALAX (ROCK STAGE)
Gore ’n’ Roll nennen GUTALAX ihre fäkalienfixierte Musik, und dazu lässt es sich wahlweise geschmeidig tanzen, Pömpel und Bürsten aller Art in der Luft schwenken oder Klopapierrollen werfen. Oder originell crowdsurfen: Zu den Klängen von „Poopcorn“ schwebt ein Fan sogar auf einer großen Mülltonne zur Bühne.
Die Stimmung ist so ausgelassen, dass die Meute ihren Einsatz bei der geplanten Wall Of Death … sorry: verk*ckt. Dafür funktioniert das Mitsingen beim letzten Song „Old MacDonald Had A Farm“ umso besser – und damit ist die Menge schon bestens eingesungen für die BROTHERS OF METAL, während die letzten abgerissenen Klopapierfetzen noch im Wind wehen.
16:50 – 17:30: BROTHERS OF METAL (DARK STAGE)
Was nicht abreißt, sind die Crowdsurfer und hochgereckten Fäuste, als „the greatest band of the world“ aufspielt. Die BROTHERS OF METAL (and Sister!) und alle vor der Bühne feiern ihr Power-Metal-Wikingertum – und mit „Powersnake“ das größte Gemächt der Bühne (natürlich von Drummer Johan Johansson).
Spätestens jetzt dürften zarte nordische Häute merken, dass Sonnencreme entgegen der Wettervorhersagen doch keine schlechte Idee gewesen wäre. Der neonfarbene Bass von Emil Wärmedal strahlt den Weg in den frühen Abend, den MAMMOTH WVH mit einem deutlichen Kontrast begehen: Die Jungs haben sich für den Gig auffallend einfarbig schwarze Klamotten rausgesucht.
17:35 – 18:15: MAMMOTH WVH (ROCK STAGE)
Düster oder farblos ist an dem Auftritt allerdings nichts: Die Musik in der Schnittmenge aus grungigem Hard Rock und Heavy Metal ist „wild“ und in der Bühnenmitte steht mit Wolfgang Van Halen jemand, der sich bei seinem berühmten Papa so einige Kniffe auf der Gitarre abgeschaut hat. Wenn er nicht gerade einen Song mit einem groovenden Riff einleitet, wirbelt er auf den hohen Lagen über das Griffbrett, dass es eine Wonne ist. Das überzeugt auch viele, die noch nichts von den Amerikanern gehört haben – sieht man am anerkennenden nicken.
Bleiben wir bei Hardrock, doch aus deutschsprachigen Gefilden: KÄRBHOLZ haben ihre beiden neuen Alben mitgebracht. Und dass die Mucke auf dem ROCKHARZ runtergeht wie Öl, ist nichts Neues.
18:20 – 19:05 KÄRBHOLZ (DARK STAGE)
Also versammelt sich am Vorabend eine textsichere Meute vor der Bühne, die das Material der Saarländer fleißig mitgrölt. Da machen die technischen Aussetzer nichts aus, denn die Anwesenden übertönen sie gekonnt. Mitmachspielchen beherrscht die Band ohnehin aus dem Effeff.
Es wartet die nächste Band mit Vocals in der Muttersprache. Und wir erleben einen krassen Bruch: Nach ausgelassen tanzenden Menschen beim Backstreet-Boys-Outro wirkt das düstere CALLEJON-Intro wie ein kurzes Stimmungstief.
19:10 – 19:55 CALLEJON (ROCK STAGE)
Glücklicherweise zünden die Düsseldorfer eine Setlist voller Hits. „Dieses Lied Macht Betroffen“, „Porn From Spain III“ und „Blitzkreuz“ sorgen für gute Laune und machen auch den Abschiedsschmerz vergessen, der bei langjährigen Fans der Band aufkommen will. Schließlich ist es eine der letzten Shows mit Berni, Kotsche und Kotze, die CALLEJON verlassen werden.
Aber nichts da! Stattdessen folgt Hit auf Hit. Das DIE-ÄRZTE-Cover „Schrei Nach Liebe“ singen alle lautstark mit, während „Snake Mountain“ klassisch mit einer zünftigen Wall Of Death beginnt. Dass zum knalligen Abschluss der nächste Circlepit startet, ist schon fast obligatorisch. Und wir kreisen langsam rüber zur anderen Bühne. Vor einem Jahr stand Daniel Schulz noch mit UNZUCHT auf der ROCKHARZ-Stage, nun hat er die Seiten gewechselt und feiert seinen Einstand mit OOMPH! in Form von „Richter Und Henker“.
20:00 – 20:55 OOMPH! (DARK STAGE)
Von dem Album präsentiert das Trio die besten Stücke und garniert die Setlist mit den größten Hits der über 30 Jahre andauernden Bandgeschichte. Die große Frage im Vorfeld war: Wie interpretiert Schulle die Songs seines Vorgängers Dero? Die Antwort: verdammt gut! Egal ob „Labyrinth“, „Träumst Du“, „Sandmann“, „Gott Ist Ein Popstar“ oder natürlich der Nummer-1-Hit „Augen Auf“, besser hätten OOMPH! den Sängerwechsel nicht über die sprichwörtliche Bühne bringen können.
Den Hype über den gelungenen Gig nehmen wir direkt mit zur DARK STAGE, wo schon ein gewisser IRON-MAIDEN-Frontmann wartet. Doch BRUCE DICKINSON ist an diesem Abend fast schon inkognito unterwegs: Mit seinem Beanie auf dem Kopf geht er jedenfalls optisch einen anderen Weg als bei einem IRON-MAIDEN-Gig. Kaum etwas erinnert an seine Hauptband, immerhin möchte er heute Abend seine eigenen Songs präsentieren. Aber natürlich machen die ersten Töne aus seiner Kehle klar: So eine Stimme hat nur der IRON-MAIDEN-Sänger.
21:00 – 22:20 BRUCE DICKINSON (ROCK STAGE)
Und er hat eine vorzügliche Band um sich geschart: Instrumental erhaben, machen vor allem Bassistin Tanya O’Callaghan und Tastenmann Mistheria ordentlich was her. Letzterer stürmt immer wieder mit seiner roten „Keytar“ nach vorn. Obwohl eine lebende Heavy-Metal-Legende am Mikrofon steht, ist von vornehmer Zurückhaltung nichts zu spüren. Andererseits lässt BRUCE DICKINSON selbst nicht übermäßig den Superstar raushängen – er ruft der Meute lediglich ein „Scream for me ROCKHARZ!“ entgegen.
Was auffällt: Der Auftritt läuft zwar unter dem Titel des aktuellen Albums „The Mandrake Project“, allerdings bietet die Show insgesamt einen gelungenen Querschnitt aller BRUCE-DICKINSON-Soloalben. Von der neuen Scheibe darf auch „Eternity Has Failed“ nicht fehlen, das die Eisernen Jungfrauen bereits in einer anderen Version auf dem „The Book Of Souls“-Album veröffentlicht haben. Somit kommen eingefleischte Anhänger von IRON MAIDEN doch noch auf ihre Kosten.
Der Klassikerabend findet nach BRUCE DICKINSON seine Fortsetzung und auch der Altersspiegel vor der DARK STAGE zeigt: Hier betritt ein absolutes Metal-Urgestein die Bühne.
22:25 – 23:30 DIRKSCHNEIDER (DARK STAGE)
Bereits zum zweiten Mal ist Udo DIRKSCHNEIDER mit seiner ACCEPT-Klassiker-Show in Ballenstedt zu Gast. Und er beweist, dass auch Fans des traditionellen Teutonen-Stahls ordentlich feiern können. Die Setlist besteht nur aus ACCEPT-Songs der Anfangsjahre und enthält überwiegend Lieder, die einfach jeder Metalhead auch zu später Stunde aus voller Kehle mitsingen kann. Spätestens zu „Princess Of The Dawn“ passiert das auch lautstark, während die Saitenfraktion um die Wette post.
„Metal Heart“ bringt die Metal-Herzen standesgemäß zum Glühen und zum „Heidi, heido, heida“-Intro von „Fast As A Shark“ schunkelt sogar der metal.de-Stand. Natürlich warten wir am Ende doch auf „Balls To The Wall“, bei dem das ROCKHARZ-Publikum die Mitsing- und Mitklatschspiele dankbar annimmt.
Zum Schluss bekräftigt DIRKSCHNEIDER mit „My Way“, wenn auch vom Band, dass er weiter seinen eigenen Weg geht, bevor mit AMORPHIS der totale Kontrast angesagt ist. Denn nach so viel teutonischem Stahl folgt ein musikalischer Wechsel in den hohen Norden ins Land der tausend Seen.
23:35 – 00:35 AMORPHIS (ROCK STAGE)
Kaum eine Band kombiniert Härte und Eingängigkeit so perfekt wie die Finnen. Zudem mischen AMORPHIS gekonnt etwas Melancholie in ihren Sound, was die Songs zu einem einmaligen und fesselnden Live-Erlebnis macht. Frontmann Tomi Joutsen ist heute richtig gut aufgelegt und fordert das Publikum wiederholt gestenreich zum Mitsingen auf.
AMORPHIS präsentieren bekannte Klassiker wie „The Castaway“ und „Black Winter Day“, aber auch neuere Titel wie „Silver Bride“ und „Wrong Direction“ finden ihren Weg in die Setlist. So bietet das diesjährige ROCKHARZ-Set einen kurzweiligen Flug durch die umfangreiche Diskografie der finnischen Melodic-Metaller.
Dass zum Abschluss auch die melodischen Ohrwürmer „House Of Sleep“ und „The Bee“ ihren Platz erhalten, kommt beim Publikum besonders gut an. Alle singen noch mal kräftig mit, bevor es auf der DARK STAGE deutlich weniger frohgemut weitergeht. Hier beschließen die Black-Metal-Senkrechtstarter KANONENFIEBER kurz nach Mitternacht eindrucksvoll den ersten Festivaltag und thematisieren dabei den Schrecken des Ersten Weltkriegs.
00:35 – 01:20 KANONENFIEBER (DARK STAGE)
KANONENFIEBER kleiden sich wie die Kämpfenden dieser Zeit und treten dabei durchgehend schwarz maskiert auf – bleiben somit vollständig anonym. Hinzu kommt ein opulenter Bühnenaufbau mit Stacheldraht, Sandsäcken und Kanonen, der das musikalische Kriegsmotiv optisch prominent unterstützt.
Besonders beeindruckend sind die auf die Show abgestimmten Pyroeffekte, die passend zu den Songs effektvoll zünden und von einer stimmungsvollen Lichtshow begleitet werden. Sogar ein Flammenwerfer kommt beim letzten Titel „The Yankee Division March“ zum Einsatz. Und dass eine Band zu später Stunde noch eine Wall Of Death auf die Beine stellt, zu der Noise in strenger Generalspose anleitet, ist wahrscheinlich auch ein Novum auf dem ROCKHARZ-Festival.
Mit diesem Kracher-Auftritt endet Tag eins des ROCKHARZ 2024 – und der hat schon mal ordentlich abgeliefert. Oder um es passender zur aktuellen Fußball-EM auszudrücken: Das ROCKHARZ macht ab Anpfiff richtig Druck, hier geht es von Minute eins an voll zur Sache. Sogar das Wetter spielt trotz anderslautender Vorhersagen mit: Von den angekündigten Schauern bleibt Ballenstedt weitestgehend verschont.
So kann es gern weitergehen – wir freuen uns riesig auf die kommenden Tage beim ROCKHARZ 2024.